Von meiner Sicht auf die Welt

Auf mannigfaltige Weise haben wir unser Leben vom Raum entkoppelt, haben unser  Erfahren von verschiedenen Varianten von Körperlosigkeit abstrahiert. Wie bisher in keiner anderen Epoche erleben wir Entkörperlichung und Entmaterialisierung. Die nahezu unendliche Vernetzung unserer Welt hat, so viele Vorzüge sie auch haben mag, ihren Tribut in Form der Abschaffung des direkten Kontakts gefordert. In vielerlei Hinsicht haben wir vergessen wie die Welt sich anfühlt. Unzählig sind die neuen Krankheiten der Seele, komplizierte Ausprägungen von Unglücklichsein,  die aus der Distanz zwischen uns und der Welt erwachsen. Wir verdrängen, dass unser Geist ebenso von unserem körperlichen Dasein in der Welt geprägt wird – von ihren Räumen, Materialien, Geräuschen, Gerüchen und Gepflogenheiten – wie von unserem genetischen Erbe und den von anderen Menschen übernommenen Weltanschauungen. Es besteht ein ständiger, prägender Austausch zwischen den physischen Formen unserer Umwelt und der Gestalt unseres Geistes. Das Gefühl, die Hand auf einen sonnenerwärmten Felsen zu legen, birgt eine unkomplizierte Wahrhaftigkeit, wie die Betrachtung von Schneeflocken, die auf unsere Handfläche fallen.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem wunderbaren Buch : Karte der Wildnis

von Robert Mcfarlane

 

 

– Garten Anima – oder eine kurze Geschichte der Zeit – ein Brief

Lieber Andre,

ich nenne dich so, weil wir uns schon so lange kennen. Es ist wie mit Freunden oder Bekannten die man noch aus der Schulzeit kennt. Man hat wichtige Jahre mit einander verbracht, Freud und Leid dieser Zeit geteilt. Ist erwachsen geworden, zumindest älter. Lange hat man nichts mehr von einander gehört. Und als man sich trifft, hat die Situation etwas vertrautes. Das gibt einem auch sofort die nötige Sicherheit um, nach kurzen Belanglosigkeiten, dem anderen die wichtigsten Geschehnisse der letzten Jahre preiszugeben.

Ja, genau so war es, als ich deinen Garten in Marokko besuchte. Und genau das ist es auch, was mich fasziniert und trotzdem unglücklich zurückgelassen hat. Denn ich frage mich was du die letzten Jahre so gemacht hast? Natürlich weiß ich um deine immer bombastischeren Projekte. Was hast du uns nicht alles gezeigt.  Artistik aus dem Reich der Mitte, einen Circus der seinem Namen alle Ehre machte, Feuerwerk in noch nie dagewesener Größe und Farbenvielfalt. Und jetzt also wieder einen Garten. Ich sage wieder, weil du ja schon den ein oder anderen Garten gestaltet hast.

Und genau das ist der Punkt auf den es mir ankommt. Natürlich weiß ich das diese Projekte sich irgendwie rechnen müssen. Dafür bin ich selbst mittlerweile genug Kaufmann. Aber bei diesem Garten kommt es mir ein klein wenig vor als ob du bewährtes in neuer Umgebung zusammen basteln ließt. Skulpturen die mich an die  bewährten Pastellfarben und niedlichen Proportionen einer Niki de Saint Phalle erinnern.  Einen großen Kopf der aus der Mundöffnung Wasser sprüht. Stopp! Gab es den nicht so ähnlich schon mal? Ach ja, der kommt mir in Erinnerung als ich an die Kristallwelten denke.

Mein lieber Andre, mir fehlte es in diesem Garten an Neuem.  An der Überraschung. Der Moment den du so geliebt hast, wenn allen Zuschauern der Mund offen stehen blieb, so wie in Kindertagen. Natürlich schmeichelt die Sonne des Südens den Farben und den Blüten. Zumindest in dieser Jahreszeit noch. Aber all das Staunen über ein wenig Kultur vor der Kulisse des Atlasgebirges täuschen nicht darüber hinweg das wir beide älter geworden sind. Ich, als einer deiner vielen Zuhörern und Schauern. Aber du als Kulturschaffender auch. Oder ist es möglicherweise die mediale Allgewalt die uns zu verwöhnten Konsumenten macht? Quasi immer in Lauerstellung für den nächsten Hype? Auf der Suche nach den besten Selfies. Ach, auch noch so eine Beobachtung von mir. Die jungen Menschen die deinen Garten Anima besuchen, benutzen die dort dargebotene Kunst überwiegend als Hintergrundkulisse für das perfekte Selfie. Tja, eben eine Generationsfrage.

Bis bald mal

Ein Follower ( so nennt man das heute )